Samstag, 10. Oktober 2009

Böse, böse USA - und Jeff Jarvis ist der Wanderprediger

Das ist die offizielle Amazon-Beschreibung für "What would Google Do?" von Jeff Jarvis. Ziemlich krasser Anti-Amerikanismus, finde ich. Wer Jeffs Blog liest, kann das kaum nachvollziehen...

Wohl nirgendwo auf der Welt kommt Technikgläubigkeit und Fortschrittsseeligkeit immer wieder derart naiv daher wie in den Vereinigten Staaten. Ein weiterer Beleg dafür ist das vorliegende Buch von Jeff Jarvis, der hier in allerbester Wanderpredigermanier das Hohelied auf den Internet-Giganten Google singt. Während Barack Obamas Gesundheitsreform als (national-)sozialistischer Totalitarismus verteufelt wird, findet man jenseits des Atlantiks nichts dabei, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung einem Unternehmen preiszugeben, das mit der Verwaltung von Daten rein kommerzielle Interessen verfolgt. Geschäftlicher Erfolg gilt aus protestantischer Sicht schließlich seit jeher als Ausweis besonderer göttlicher Gnade.

Ob Apple, Microsoft oder in diesem Fall eben Google – sie alle stehen stellvertretend für den amerikanischen Traum. Und Leute wie Jarvis sind seine Propheten. Nicht im Datenschutz sondern in der grenzenlosen Transparenz des Internets sieht der New Yorker Professor die Zukunft. Vorbei seien die Zeiten, in denen vordigitale mediale Instanzen jeglicher Art zu Lasten der Gesellschaft über das Informationsmonopol verfügten. Die neuen Kommunikationsformen des Google-Zeitalters wie Bloggen oder Twittern machten es Kunden und Verbrauchern möglich, der Massenindustrie ihre Bedürfnisse zu diktieren. Im Sprachduktus eines wiedergeborenen Erweckunspredigers preist Jarvis die ungeheuren Chancen einer total vergoogelten Welt und schickt alles Herkömmliche – übrigens als Buchautor erstaunlicherweise ausgerechnet auch Druckwerke aller Art – schnurstracks zur Hölle.

Trotz oder gerade wegen des penetranten missionarischen Eifers ein durchaus lesenswertes Lehrstück über den weltweit noch immer dominanten American Spirit. – Arnold Abstreiter

Montag, 5. Oktober 2009

Der Schuh...andersrum...

In einem Artikel für NZZ Folio schreibt Kurt W. Zimmermann, dass die Zeitungsverleger in nur 15 Jahren ihr 400 Jahre altes Geschäftsmodell zerstört hätten. Und zwar mit zwei gleichzeitigen Entwicklungen, die ab 1995 abliefen:
  • Gratiszeitungen klauten den etablierten Blättern Auflage.
  • Die Inhalte der Blätter gibt es kostenlos im Internet.
Die Lösung laut Zimmermann: Gratiskultur abschaffen, Abo-Preise lassen sich vervielfachen, Gratis-Inhalte sollen raus aus dem Netz. Das rettet die Zeitungen bis 2035.

Nun ja. In einem hat Zimmermann ja Recht: Die etablierten Verlage sind selbst schuld an der Krise. Sie haben viel zu lange das Netz ignoriert bzw. gedacht, dass man Print-Angebote dorthin transferieren könnte.

Allerdings irrt Zimmermann schon in seiner Analyse:
  • Internet - Ich kenne kein ernsthaftes Angebot ordentlicher Kauf-Print-Produkte, das seine Inhalte 1:1 kostenlos ins Netz stellt. Kein Spiegel, keine Zeit, keine FAS, keine Münstersche Zeitung (passt nicht ganz in die Reihe) findet sich komplett im Netz. Warum nicht? Weil so a) das Printprodukt entwertet würde und - das ist noch viel wichtiger - weil b) das Komplettangebot gar nicht den Anforderungen des Kanals Internet entspricht. In Wirklichkeit ist man heute doch weiter. Im Internet präsentiert man - im besten Fall - Breaking News, berichtet per Ticker live, man bietet multimedialen Mehrwert (Karten, Fotos, Videos, Audio-Slideshows), bietet vertiefenden Service, viele Links. Natürlich nur, wenn man die entsprechenden Ressourcen dazu hat. Trotzdem: Allein die Grundvoraussetzung, im Netz gäbe es alles aus der Zeitung gratis, ist Unsinn.
  • Gratis-Blätter - Die kennt man in Deutschland (außer in der Erinnerung in Köln) nicht. Doch meine Beobachtungen im Ausland haben mich zum Ergebnis gebracht, dass das schade ist. Warum? Weil durch Gratis-Blätter der Gedanke, dass auf bedrucktem Papier spannende Nachrichten stehen können, vielen Jüngeren erst bewusst wird. Sie sind Zeitungen einfach nicht gewohnt. Wer sich längere Zeit nur auf Gratis beschränkt, wird vielleicht neugierig auf das Papier, das man kaufen muss. Für Kaufzeitungen heißt das: Eure Inhalte müssen wirklich 1-2 Euro am Tag besser sein als das Gratiszeug. Das nennt man Wettbewerb. Mit 95% Agenturmaterial gewinnt den natürlich keine Kaufzeitung.
Wie also weiter? Magazinige, hochwertige (und teure) Kaufzeitungen für den Leser mit Verlangen nach Hintergrundinfos produzieren. Dazu eine junge, spannende Gratiszeitung. Und einen Web-Auftritt, der sich wirklich auf die Stärken des Netzes konzentriert - Geschwindigkeit nutzen, 24/7 für den Nutzer da sein, ihn einbinden, sein Wissen nutzen, Journalisten im Web als Moderatoren einsetzen. So könnte es funktionieren.

Ergänzung: Wenn ich das richtig sehe, ist das komplette NZZ Folio zum Thema Zeitung gratis im Netz zu lesen. Klarer Fall von selber Schuld, oder? Unter jedem Artikel steht übrigens, dass man für 94 Franken ein Jahresabo bekommt.

2. Ergänzung: Der im Artikel von Zimmermann als Vorbild gepriesene Rupert Murdoch ist anderswo einfach nur der Typ, der das Internet nicht versteht. Via Thomas Knüwer bin ich auf diesen hervorragenden Artikel in der US-Vanity Fair gestoßen.

Samstag, 3. Oktober 2009

Preiswürdig

Laut SpOn gab es für diesen Film einen Preis beim Bitfilm-Festival. Völlig zurecht.

Du bist Terrorist from alexanderlehmann on Vimeo.